|
|
|
|
Victor Junk
|
(1875-1948) |
|
|
|
Sein Leben, Wirken und Schaffen
|
|
Victor Junk wurde am 18. April 1875 als
ältester Sohn des k.u.k. Baurates David Valentin und der Wilhelmine Junk
(geb. Klier) geboren. Seine überragende Musikalität hat er
hauptsächlich von seiner Mutter geerbt. Er schreibt in seinen „Lebenserinnerungen":
„Ein gütiges Geschick hat mich reich bedacht, es hat mir mit dem
musikalischen Talent einen Schatz goldener Träume mitgegeben. Diese haben
mich über die Rauheiten des Lebens hinweggehoben." Anregung zum
Musizieren gab es im Elternhaus, V.J. begann in sehr früher Kindheit
Klavier zu spielen. Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte er als
Achtjähriger im Palais einer vornehmen Wiener Familie. Dies gab ihm einen
enormen Auftrieb. Er komponierte im selben Jahr sein erstes Klavierstück.
Seine Mutter nannte es „Jugendtraum". Der Wunsch, ausschließlich
Musik zu studieren, scheiterte am Veto seines Vaters. |
|
Bereits als Elfjähriger erwachte bei V.J. das Interesse an den
verschiedenen Sprachen, z.B. dem Mittelhochdeutschen. Als Zwölfjähriger
schrieb er sein erstes Buch: „Eine Krystallographie". Ihn
faszinierten die herrlichen Gebilde und Farben der Steine. Sie waren für
ihn keine „toten" Gegenstände, sondern Wunder, denen nur die
Sprache fehlte. Als Sechzehnjähriger konnte V.J. u.a. alle Rhapsodien von
Franz Liszt auswendig spielen, vertiefte sich in das Schaffen Richard
Wagners und in die Partituren der großen Meister. Mit zehn Jahren hatte
V.J. in der Staatsoper das erste Mal Wagner gehört, ein Eindruck, welcher
ihn nachhaltig prägte. Ebenfalls in dieser Zeit hörte er im Musikverein
die Wiener Philharmoniker. Er sparte jeden Gulden und hatte bis zur Matura
sämtliche Klavierauszüge, gesammelte Schriften und Dichtungen von
Richard Wagner beisammen. V.J. konnte zu Studienbeginn „Lohengrin",
den „Ring" und „Tristan" auswendig spielen (richtungsweisend
für seine Dozententätigkeit an der Universität Wien: Tristan -
Gralssage - Parzival). Nach der Matura studierte V.J. Musikwissenschaft,
Germanistik und Philosophie. Sein Hauptinteresse galt dem Sanskrit, der
altindischen Literatur und der vergleichenden Mythologie der
indogermanischen Völker. 1899 promovierte V.J. zum Dr. phil., 1900 trat
er in die Akademie der Wissenschaften ein und habilitierte sich 1906 als
Dozent für ältere deutsche Sprache und Literatur. |
|
1895 hatte V.J. in der Münchner Staatsoper Richard Strauss am
Dirigentenpult („Tristan") erlebt. 1897 sang er im Chor der
Gesellschaft der Musikfreunde bei der Einsegnung von Johannes Brahms. Bei
diesem traurigen Anlaß lernte V.J. Hugo Wolf kennen. Im selben Jahr
begegnete er bei einem Unterhaltungsabend Flora, der Tochter seines
ehemaligen Naturgeschichteprofessors, welche er 1900 heiratete. Sie
schenkte ihm drei hochbegabte Kinder, sie musizierten schon als
Dreijährige, sangen und nahmen Tanzunterricht. V.J. erzog seine Kinder
nach dem Motto: „Mit einer Kindheit voll Liebe kann man die halbe Welt
aushalten" (Jean Paul). |
|
Hilde, geb. 1901, hatte eine vielversprechende Karriere als Tänzerin vor
sich, starb aber 1921 nach den Entbehrungen des Krieges an einer schweren
Krankheit. |
Walter, geb. 1902, wurde Solotänzer und Ballettmeister an vielen großen
Opernhäusern. |
Elisabeth, geb. 1908, studierte Klavier und Gesang. Sie korrepetierte und
unterrichtete Gesang am Konservatorium in Wien. |
|
Seit 1899 war V.J. Mitglied des Wiener Männergesangsvereines. 1900
übernahm er die Redaktion des „Almanachs der Akademie", 1903
Erstaufführung seines Chorwerkes „Es fiel ein Reif in der
Frühlingsnacht", 1904 Beginn der Beschreibung der altdeutschen
Handschriften, 1905 erschien die Erstausgabe des „Alexandergedichtes"
von R. von Ems. 1906 zeigte V.J. für die Kompositionen Hans Pfitzners
lebhaftes Interesse, woraus sich im Lauf der Jahre eine wahre Freundschaft
mit dem Komponisten entwickelte (siehe Briefwechsel „Hans Pfitzner und
Wien", herausgegeben von Elisabeth Wamlek-Junk, Schneider-Verlag
Tutzing 1986). 1908 lernte V.J. Frau Therese Rie kennen, die in ihm den
großen Musiker sah und ihn zum Komponieren ermunterte. 1909 vertiefte
sich die Freundschaft mit Max Reger. V.J. schrieb den Klavierauszug der
„Hiller-Variationen" und war Gast von Cosima Wagner und H. St.
Chamberlain in Bayreuth (Gralssage und Gralsdichtung des Mittelalters).
1911 bearbeitete er die „Italienische Serenade" von Max Reger für
Klavier und verfaßte Beiträge im „Merker", wo er ab 1918 als
Referent angestellt war. |
|
V.J. war mit namhaften und bedeutenden Persönlichkeiten der Zeit
befreundet bzw. bekannt. Um nur einige zu nennen: Hans Richter, Karl
Kraus, Th. Streicher, Katharina Schratt, Sven Hedin, Leopold von
Schröder, Oskar Laske, Josef Gregor, Knut Hamsun, Selma Lagerlöf,
Patriarch Rahmani II, Big Chief, u.v.a.. |
|
1914 wurde ein privates Marionettentheater gebaut. F. Barwig und E. Fisko
schnitzten Köpfe und Hände. Es wurde u.a. Pocci gespielt, V.J. schrieb
die Musik dazu. Im selben Jahr erfolgte die Fertigstellung der „Wildfrau".
Ab 1915 war V.J. als Pianist und Continuospieler in der Wiener
Bach-Gemeinde tätig und gründete einen Kammerchor, 1916 wurde das
Oratorium „Legende von der Liebe", Text von J. Gregor,
fertiggestellt, 1918 die Symphonische Dichtung „Dürnstein". In
dieser Zeit begann die Zusammenarbeit mit der Tänzerin und
Ballettlehrerin Gertrude Barrison - V.J. begleitete ihre Ballettabende,
seine drei Kinder wurden von ihr unterrichtet. 1919 dirigierte er im
großen Musikvereinssaal das „Magnificat" und eine Kantate von J.
S. Bach (nachdem er zuvor den lateinischen Text ins Deutsche übersetzt
hatte). Weiters komponierte er das Ballett „Die Doppelgänger" für
Walter Junk und G. Barrison, ein Stück, das später noch oft von
Solotänzern getanzt wurde. |
|
1920 war er als Musikkritiker für die Zeitung „Alpenland"
(Innsbruck) tätig. 1921 war er Opernreferent der „Wiener
Theaterzeitung". V.J. war zehn Jahre hindurch mit Karl Kraus in enger
Verbindung. Dieser hielt Leseabende und wurde dabei von V.J. am Klavier
begleitet. K. Kraus las hauptsächlich Shakespeare und Nestroy. V.J.
komponierte die Musik zu “Wohnung zu vermieten", „König
Lear" und Couplets. Aufführungen erfolgten u.a. im „Jano-Theater".
In den folgenden Jahren: Referent beim Reger-Fest, Beginn der
Gesamtpublikation “Die Nobelpreisträger" (dadurch beginnende
Freundschaft mit Romain Rolland, Thomas Mann, Knut Hamsun), Fertigstellung
des Manuskriptes “Handbuch des Tanzes" und Beginn seiner
Komposition „Don Pablo von Saragossa" (Text von Therese Rie). 1925
komponierte V.J. „Der tanzende Derwisch" für seinen Sohn, die
Uraufführung in Berlin wurde von diesem getanzt. |
|
Über Jahre hindurch arbeitete V.J. intensiv im Bereich des Volksliedes
und des Volkstanzes. 1938 erschien das Buch „Die taktwechselnden
Volkstänze". Die Oper „Trug einer Nacht" wurde 1944 in Thorn
(Deutschland) uraufgeführt. V.J. hielt Vorträge im Rundfunk, an der
Urania und an der Musikhochschule in Wien. |
|
1937 kaufte V.J. in Frohnleiten ein kleines Häuschen mit Grund (heute
Brunnhof 14), um in seiner Pensionszeit in Ruhe die noch nicht
fertiggestellten Manuskripte aufarbeiten zu können. Leider blieb V.J.
durch den Krieg und die damit verbundenen Katastrophen nur wenig Zeit. Am
musikalischen Wiederaufbau in Frohnleiten war er insofern maßgeblich
beteiligt, als er bei musikbegeisterten Familien Einführungsvorträge
hielt, Interesse weckte und dadurch weitere Kreise für den Plan zur
Gründung einer Musikschule gewann. Seine Tochter Elisabeth gründete eine
kleine Gesangsschule, gab privat Klavierunterricht (u.a. nahm Gräfin
Marie Goess-Saurau mehrere Jahre hindurch Gesangsunterricht) und konnte
Baron F. Mayr-Melnhof für die Idee der Musikschulgründung gewinnen. Das
Konzert „1. Steirischer Heimatabend" der Frohnleitner
Bezirksmusikschule konnte er noch miterleben. Sein Herz hielt die
nervlichen Belastungen und körperlichen Anstrengungen nicht aus. Zudem
machte sich schon in der Kindheit eine starke Kurzsichtigkeit bemerkbar,
die mit zunehmendem Alter immer stärker wurde und zum Sehverlust eines
Auges führte. Univ.-Prof. Dr. Victor Junk starb am 5. April 1948 an einem
Herzschlag. |
|
Nachsatz:
Ich habe die „Lebenserinnerungen" meines Großvaters kurz
zusammengefasst: Es ist fast unwahrscheinlich, was er im Laufe seines Lebens gelernt, gelehrt, geschaffen und als geistiges Erbe hinterlassen hat. Er wurde u.a. als das
größte Sprachgenie des Jahrhunderts bezeichnet, beherrschte er doch an die 100 Sprachen und Dialekte. Viele seiner Lieder schrieb er für seine Tochter Elisabeth. Fast alle Handschriften und Publikationen befinden sich in meinem Besitz.
Helge Mayr
|